ÖMER SEYFETIN:

EFRUZ BEY

Satirischer Roman
200 Seiten
Übersetzung aus dem Türkischen
und Nachwort: Beatrix Caner
 

Deutsche Erstausgabe
Oktober 2011
ISBN: 978-3935535267

16,80 EUR
 

„Efruz Bey“, der unvollendet gebliebene Roman Ömer Seyfettins, ist eine geniale Gesellschaftssatire voller köstlicher Details, die das letzte Jahrzehnt des Osmanischen Reiches aus einer ungewöhnlichen Perspektive darstellt. In der Person Efruz Beys konzentrieren sich unterschiedliche Typen einer morbiden, orientierungslosen Gesellschaft, in der die Menschen auf Lügner, Betrüger und allerlei Scharlatane hereinfallen. Efruz Bey schlüpft, je nach Aktualität, in verschiedene Rollen, und ist nach Kräften bemüht, seinen Vorteil aus jeder Situation zu ziehen. Dennoch ist er zum Scheitern verurteilt, weil die Helden in solchen Zeiten eine extrem kurze Halbwertzeit haben. Genau darin liegt ein gewisser Anachronismus: unsere heutige Welt ist kaum weniger bereit, Scharlatanen aufzusitzen, wenn sie nur genug Gewinn versprechen. Dieser Aspekt macht diesen einfallsreichen Roman sehr aktuell.

Wie sehr auch der Autor beteuert, die Wirklichkeit unverfälscht wiedergegeben zu haben, ist dieser Roman doch sehr viel mehr als eine mimetische Abbildung der osmanischen Gesellschaft in ihrer Endphase. Er ist in erster Linie eine meisterhafte Satire, die gefüllt ist mit Anspielungen und Verdrehungen, Sticheleien und ironischen Wortspielen. Natürlich kommen die Leser, die sich in den historischen Daten, Fakten und Gegebenheiten des damaligen Osmanischen Reiches auskennen, und die die Akteure und die geistigen Strömungen, die „aufs Korn genommen werden“, erkennen, eher in den Genuss dieser Satire. Aber auch diejenigen Leser, die den historischen Sachverhalt nicht so gut oder nur ansatzweise kennen, können die scharfsinnige Deutung und den spitzfindigen Gehalt des Romans genießen. In der Person Efruz Beys konzentrieren sich unterschiedliche Typen einer morbiden, orientierungslosen Gesellschaft, in der die Menschen auf Lügner, Betrüger und allerlei Scharlatane hereinfallen. Efruz Bey schlüpft, je nach Aktualität, in verschiedene Rollen, und ist nach Kräften bemüht, seinen Vorteil aus jeder Situation zu ziehen. Dennoch ist er zum Scheitern verurteilt, weil die Helden in solchen Zeiten eine extrem kurze Halbwertzeit haben. Genau darin liegt ein gewisser Anachronismus: unsere heutige Welt ist kaum weniger bereit, Scharlatanen aufzusitzen, wenn sie nur genug Gewinn versprechen. Dieser Aspekt macht diesen lehrreichen Roman sehr aktuell.

LESEPROBE:

Der Freiheitsheld

Schwungvoll betrat Ahmet Bey das Amt und ließ mit einem forschen Ausdruck in den Augen seinen Blick über die Kollegen schweifen. Dann lachte er spitz auf und neigte den Kopf leicht zur Seite. Kopfschüttelnd fragte er in die Runde:

„Naaa, was habe ich gestern vorausgesagt?!“

Am Tag vorher waren die Gesichter der Schreibkräfte blass vor Angst geworden, denn nicht einmal Gott fürchteten sie so sehr wie Sultan Abdulhamit. Wie vergilbte Herbstblätter, die ein kräftiger Sturm in eine stille Ecke geweht hatte, saßen sie da. In ihren Köpfen schien ein schrecklicher Gedanke zu pulsieren, ein „Verdacht“. Die unsägliche Frage, ein „Kann das sein?“, schnürte ihnen ihre Kehlen zu, wie ein schmerzhafter, unterdrückter Weinkrampf. Sie blickten sich an, ratlos und besorgt. Sie fragten sich, worin Ahmet Beys eigentliche Tätigkeit bestand.

Ahmet Bey ahnte nichts von diesen Gedanken seiner Kollegen. Er ließ sich lässig in seinem Sessel nieder. Mit einer flotten Geste entledigte er sich seiner glänzend weißen Ärmelschoner, dann legte er seinen Fes auf den Tisch. Wie ein stählerner Pfeil richtete er sich dann auf und setzte sich in Szene. Dünkelhaft fragte er: „Oder wissen Sie es noch nicht?“ – Er lachte erneut spitzkantig auf.

Alle im Amt fürchteten ihn als „Spitzel der Hohen Pforte“. Als dieser Herr vor einem Jahr hier in der Behörde mit einem Gehalt von zweitausendfünfhundert Kurusch auf „Befehl des Sultans“ seine Tätigkeit begonnen hatte, meinten seine Vorgesetzten, er wäre als Spitzel eingesetzt worden. Seine Untergebenen hielten ihn immerhin für einen „Jungtürken“. Mal sagte er über sich, ein Absolvent der Galatasaray Universität zu sein, dann, dass er an der politischen Hochschule studiert hatte. Gelegentlich gab er sich aber auch als Jahrgangsbester der Universität für arabische Stammesfürsten aus. Nur die Intervention des Sultans hatte es verhindert, dass ihm eine Goldmedaille verliehen wurde, zusammen mit seinem Diplom.

Seine Vorgesetzten ließ er tatsächlich in dem Glauben, dass die besagte „Goldmedaille und das Diplom“ in der Schublade jenes Amtszimmers seiner Exzellenz, des Paschas, liegen würden, und der galt als oberster Amtsleiter der Verbindungsstelle zum Sultanspalast.

Er behauptete ebenso, dass er, wäre ihm dieses Diplom ausgehändigt worden, sofort nach Europa gereist wäre, und dass er damit jede noch so exklusive Stelle in jedem Land, das er sich gewünscht hätte, bekommen würde …

„Gott bewahre! Welch ein Verlust wäre das für unseren geschätzten Herrscher gewesen … – nicht auszudenken!“, mag mancher gedacht haben.

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